26.04.2023

Nach einer Woche „parenting extreme/xxl“ im Urlaub alleine ohne zweiten Erziehungsberechtigten (Posting „Allein unter Kindern“) dann in der zweiten Ferienwoche das Kontrastprogramm:


Allein ohne Kinder.


Beide bei Großeltern/leiblichem Papa, nur zwei Erwachsene allein daheim.


Seltsame Dinge passieren.


Ich (über)streiche endlich die Stellen an den Wänden, die der junge Hund mit dreckigen Pfoten verdreckt hat und die mich seit Wochen bei jedem dran-vorbei-gehen stören.


Ich miste endlich das kleine Bad aus, mache mir Gedanken über Neugestaltung desselben und eines von zwei Kinderzimmern, besorge erstes Material dafür. Ohne Zeitdruck. Ohne Kakophonie im Ohr. Melde Sperrmüll an und bringe kleinere Mengen Ausgemistetes zum Recyclinghof.


Ich arbeite endlich meine Büroablage bis nach Meppen ab.


Schreibe längst überfällige Emails. Fordere endlich schriftlich eine Ersatz-PIN für das online banking an.


Ich tausche (Ende April) endlich Winter- gegen Sommerkleidung in den Schränken aus und bringe Ordnung in die Abseite.


Ich bin und bleibe wach.


Bis 21 Uhr. 22 Uhr. 23 Uhr.


Und stehe morgens trotzdem relativ frisch und munter auf.


Ich komme ausgeruht bei der Arbeit an. Frisch. Mit Energie.


Ich koche. Mit schnippeln, schälen und so. Richtig „kochen“. Und es schmeckt allen (zwei) Beteiligten.


Ich mache Sport. Viel Sport.


Ich entspanne. Ich entspanne viel.


Entscheide mich nicht zwischen Kickbox-HIIT und Yoga/Mediation. Sondern mache beides.


Es gibt Momente, da ist gerade nichts zu tun. Einfach Nichts. Zu. Tun.


Und da ist es still.


Und mir wird bewusst: Dieses doch immer wieder in Frage stellen der eigenen Erschöpfung, dieses nicht so wirklich zulassen wollen, dass das normal ist, dass das erschöpfend ist, dieses Leben unter Dauer-Ansprache, Dauer-Aufgaben und mit ständigem Nachschub an Gedanken, to do´s, Impulsen und input, dieses letztlich doch immer sich selbst ein stückweit in Frage stellen (nicht belastbar genug, wie schaffen andere das, nun reiß dich mal ein bischen zusammen….) – das ist so falsch. Das ist so verkehrt. Das ist so Gift.


Ich bin „leistungsfähig“. Ich habe Energie. Ich bin kein schlapper Waschlappen, der seit Jahren nix richtig auf die Reihe kriegt.


Sondern dann, wenn ich all das da oben Beschriebene nicht mehr „schaffe“, dann habe ich vorher schon so unendlich viel geschafft, das mehr nicht mehr zu schaffen ist.


Wenn wir Eltern werden, eine Familie gründen, in welcher Konstellation auch immer, dann sollten, dürften wir uns eigentlich klar machen: Ab jetzt werde ich andere Sachen schaffen (müssen/wollen). Und vieles Gewohnte danach nicht mehr schaffen (können).


Die Regelerwartung (unsere eigene und die der Außenwelt) scheint aber zu sein: Da kommt gewaltig was dazu. Und wird bewältigt. Und all das Gewohnte auch weiterhin.


Als ob man in ein volles Glas ein weiteres kippt und annimmt, es würde dennoch nicht überlaufen.


Das ist etwas, mit Verlaub und ohne jemanden ausgrenzen zu wollen, etwas, das man sich so wirklich als Mensch, der ohne Kinder lebt, nicht vorstellen kann.


Ich bekomme heute noch vor Scham rote Wangen, wenn ich dran denke, dass ich einer dreifach Mama-Kollegin (u.a. mit Zwillingen) vor zehn Jahren in Hamburg regelmäßig morgens mein Leid über „stressig heute morgen“ und „Müdigkeit“ geklagt habe. Während sie freundlich, zugewandt, müde lächelnd im Türrahmen meines Büros lehnte. Bereits ein Leben hinter sich hatte um 8:30. Und noch einen endlosen Tag vor sich. Unvorstellbar befüllt für mich. Die ich noch arbeiten, Fitnessstudio und im Anschluss einen Restaurantbesuch und gemütlichen sundowner-Drink mit Freunden vor sich hatte.


Dass ich als junge, kinderlose Pädagogin in der Sozialpädagogischen Familienhilfe vor 15 Jahren Eltern mit teils mehreren Kindern, schwierigen Patchworkkonstellationen, in materiellerer Unsicherheit, „beraten“ sollte. Heute ist mir völlig unverständlich, wie mein damaliger Arbeitgeber mich für diesen Job aussuchen konnte. Bzw ich ahne es: Ich war (als Berufsanfängerin und ledige junge Frau) günstig. Und völlig ahnungslos.


Dieser Text soll niemanden und niemandes Tages-, Wochen-, Monats- oder Lebensleistung herabwürdigen. Kinderreich, kinderlos. Mit Partner, ohne Partner.


Er soll vielmehr daran erinnern, dass niemand von uns alles leisten, schaffen kann.


Und dass wir uns sehr wohl die Vielfalt und Bandbreite unserer Aufgaben vergegenwärtigen dürfen. Dass der Raum nicht endlos ist. Und die Kraft. Dass, wenn etwas hinzukommt auf das Spielfeld der Aufgaben, etwas anderes gehen oder in den Hintergrund rücken muss. Und wenn es das nicht tut, dass wir dann an allem scheitern werden. Weil für nichts mehr genug Zeit und Kraft ist.


Dass, wenn Du etwas nicht (mehr) schaffst, und Du Dich deshalb gescheitert fühlst, die sofort folgende Frage sein darf: „Und was habe ich bis an diesen Punkt des vermeintlichen Scheiterns (heute/diese Woche/die ganze Zeit) schon geschafft?“. Mehr als Du denkst. Behaupte ich.