Vom märchenhaften Mythos Mutterschaft

04.03.2023

Zu Risiken und Nebenwirkungen: Eventuelles, vorübergehendes Provokationspotential an der ein oder anderen Stelle.
Wer es schafft: 
bis zum Ende lesen. Es wird versöhnlich.

 

Als ich kürzlich in meiner Instagram-Story fragte, ob diejenigen mit Kindern sich vorstellen könnten, ein glückliches Erwachsenenleben auch ohne Kinder zu führen, war dies für insgesamt über die Hälfte aller Teilnehmerinnen "definitiv" bzw. "wahrscheinlich schon" vorstellbar.
Es drängt sich die Vorstellung frustrierter, entnervter und entkräfteter Frauen auf, die, unglücklich mit sich und ihrem Dasein, es "hätten vorher wissen müssen" (?) und nun plärrend einstimmen in das derzeitig recht weit verbreitete und in der entsprechenden social media bubble omnipräsente stockende Schildern chaotischer Tagesabläufe, frei drehender Kinder, nicht-unterstützender Männer und der Last des mental loads. Tränenverschleierter Blick. Gerne im Auto ("ich steh hier grade auf dem Parkplatz und dieser Tag"...).

(Das wird hier kein Mama-bashing. Es steht uns allen frei, unseren Kummer in der Form und vor dem Publikum zu präsentieren, wie wir es für richtig halten. Ich kann keine dieser Frauen nicht verstehen. Wie auch, wo ich doch manchmal eine von ihnen bin. Und die einzig heroische Leistung des Tages darin besteht, heulend auf dem Lidl-Parkplatz nicht eines der kleinen Schnapsfläschchen von der Kasse mitgenommen zu haben und mir postwendend im Auto an den Hals zu setzen.)

Aber sind all diese Frauen, die sagen, ein glückliches Leben ohne Kinder sei "definitiv" oder "wahrscheinlich schon" möglich, deshalb zwangsläufig unglücklich in ihrem Leben mit Kindern? Vielleicht. Aber nicht zwangsläufig. Vielleicht sind sie glücklich und können sich vorstellen, auch anders glücklich zu sein. Es scheint sich zumindest eins aus ihren Antworten relativ klar und unstrittig ableiten zu lassen: Ihre Kinder sind keine bzw. nicht die einzige Voraussetzung für Glück. Alles andere bleibt vage und Interpretation.

Und was ist mit jenen, die geantwortet haben, dass sie sich ein glückliches Leben ohne Kinder "eher nicht" oder "auf keinen Fall" vorstellen können? Sind die zwangsläufig glücklich als Mutter, mit Kindern, im Familienleben?
Auch das bleibt (sich aufdrängende) Vermutung. Vielleicht sind sie unglücklich "trotz" ihrer Kinder. Und empfinden Kinder als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Glück.

 Was in diesem Dickicht der Vermutungen relativ unstrittig und unübersehbar scheint (Ausnahmen dürfen hier gerne die Regel bestätigen): Mutter-sein wird als anstrengend empfunden. Der noch gar nicht so lange präsente Begriff des "mental-loads" versucht zu beschreiben, welchen gedanklichen Kraftakt Mütter täglich i.d.R. absolvieren (der nicht selten auch praktischer Kraftakt ist, nämlich dann, wenn gedanklicher input in Erledigungen, Termine, Besorgungen, Fahrten usw. mündet).
Es wird von einem Zerissensein, von multitasken, von zwischen-den-Stühlen-sitzen, von "niemandem gerecht werden" gesprochen, von Unvereinbarkeit, von der Machbarkeitslüge, vom Gefühl berichtet, nichts richtig oder zu Ende machen zu können und dabei langsam, Stück für Stück, sich selbst aus dem Blick und Gefühl zu verlieren.
Es wird eifrig beteuert, mantraartig heruntergebetet, die Kinder "aber natürlich über alles"  zu lieben, wann immer der Beschwerdekanon vielleicht einmal zu laut erschien, wann immer man sich des Verdachts schuldig hätte machen können, motherhood zu regretten, also nein, Gott bewahre, das dann natürlich doch nicht.
Aber anderseits. Seufz. Wie das alles irgendwie gelingen soll. Woher da noch die Leichtigkeit kommen soll. Seufz.

Woher kommt das? Dieses Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, der immer offenen Enden, des Tanzens auf zig Hochzeiten gleichzeitig, aber irgendwie immer stolpernd, holpernd oder mit angezogener Handbremse?
Kommt das vielleicht von diesem "alles" - weil das alles gelingen soll? Und kommt das vielleicht von einem ganz einfachen Rechenfehler? Einer Fehlkalkulation in einer Kosten-Nutzen-Rechnung? Und hängt das beides vielleicht zusammen?


Ein Blick zurück

.... lässt (mich) nachdenklich werden. Und dafür müssen wir noch gar nicht mal so weit in  die Vergangenheit zurück blicken. Sondern vielleicht fürs Erste nur in unsere eigene Kindheit. Zu den Müttern der 70er, 80er und vielleicht frühen 90er Jahre.
Ich sehe da Frauen, die ganz gewiss auch manchmal (oder häufig) Überforderung fühlten, bestimmt auch mal Ratlosigkeit, Verzweiflung.... und überhaupt: pauschalisieren lässt sich natürlich gar nichts. In keiner Gruppe, in keinem Jahrzehnt.
Aber was ich auch sehe, wenn ich an die Mütter dieser Jahrzehnte denke: Frauen, die entspannt an ihrer Prince Denmark zogen (nein, natürlich ist Rauchen schlecht, böse, tödlich und stinkt, und ich selber habe ihm deshalb vor Jahren abgeschworen), während die Kinder "schon irgendwo sein werden". Denen pädagogisch wertvoll gefüllte "quality time" ein Fremdwort war und die sich keine Wagenladungen Erziehungsratgeber aus der Bücherei holten, sondern Konsalik und Rosamunde Pilcher.
Die mit gutem Gewissen eine Dose Ravioli zum Mittag warm machten (aber fast alle "trotzdem" kochen konnten, weil sie es irgendwie so nebenbei von ihren Müttern gelernt hatten) und die statt stundenlanger Gemüseschnitzereien mit Gesicht als gesunden Snack die "Extraportion Milch" in Folie einpackten. 
Frauen, die sicher ihre Probleme hatten. Aber die, so meine nun doch pauschalisierende Beobachtung, nicht so sehr unter den Aufgaben und to do´s der Mutterschaft gebeugt zu werden schienen, bei denen Mutterschaft irgendwie eine Art "auch Schauplatz", vielleicht sogar "Nebenbaubestelle" war, der oder die nicht ständig Er- und Überhöhung erfuhr. 
Frauen, die wenn sie Mutter wurden, irgendwie auch mehr noch etwas anderes blieben.



Und das ist, so zumindest mein subjektives Empfinden, irgendwann spätestens mit dem Ende des letzten Jahrhunderts, Jahrtausends, anders geworden. 
Hat seinen Ausgangspunkt aber vielleicht schon in den 1990er Jahren gehabt. Im Zuge eines politischen und gesellschaftlichen Wandels, der auch und insbesondere Familien und den Anspruch an familiäres und menschliches Miteinander betrifft.
Und seinen Höhepunkt in den vergangenen gut zwanzig Jahren erlebt, den Jahren, in denen ich selbst zweimal Mutter wurde. In denen Freundinnen (teils deutlich vor mir) Mutter wurden. Den Jahren der Dinkelkekse. Lastenräder. Quality Time. Des selbstgemachten, zuckerfreien Bio-Breis.  Der Impfdiskussionen. Der „Bedürfnisorientierung“. Des „Bindungsansatzes“. Ich möchte eines ganz klar stellen: Auch wenn ich mich als Mutter zu all diesen Dingen positionieren und entscheiden musste, wird sich hier, in diesen Text, keine Wertung einschleichen. Hoffe ich zumindest 

Ob ich ein E-Lastenrad doof und Impfen toll finde oder umgekehrt, soll hier keine Rolle spielen – es geht mir nicht um die Bewertung all dieser Dinge, Themen, Entscheidungen. Es geht mir um deren Erhöhung. Überhöhung. Omnipräsenz. 

Es geht mir darum, dass Mutter-sein und Kinder-haben von einem natürlichen Bestandteil eines dahingelebten Lebens, in dessen Verlauf irgendwann (bei vielen) auch Kinder dazukommen, zu einem für sich allein stehenden Sinn wurde. Zu der einen, großen Erfüllung. Zur Religion.

In der alles gewichtig ist. Nichts schulterzuckend einfach „so sein darf“. In der geplant, gewichtet, gewertet, abgewogen, verglichen, angestrebt, beigemessen, diskutiert, durchdacht, verworfen, umorientiert wird. In der alles wichtig ist. Jede kleine Entscheidung. Die im öffentlichen Raum, social media sei Dank, präsentiert wird. Und dann mit Schlamm beworfen, zerrissen, gesteinigt. Skateboard ohne Helm? Eine von 63 Steckdosen im Bildhintergrund nicht gesichert?  Ist das da ein Rossmann-Gläschen und nicht mal Bio? Sorgerechtsentzug.

Oder gefeiert. Die hat es raus. Wow. Bilder in sanften Farben. Da darf ruhig in eloquentem Akademikerdeutsch über phasenweise Ermüdung, Überforderung, den nicht ganz so aktiven Ehemann geklagt werden. Aber das sind harmlose Klagen, die tun nicht wirklich weh, die greifen nicht im Kern an, die sprechen keine eklige Wahrheit von wirklichem Dreck, der nie endet, innerer Leere, angemalten Möbeln, ungepflegten Vorgärten, sexueller Flaute, abgrundtiefem Genervtsein, Fluchtgedanken.  Da passen selbstgenähtes Kleinkindhöschen und Sofabezug trotzdem farblich zusammen. Da bringt der Typ vielleicht nicht regelmäßig den Müll raus, aber ordentlich Knete nach Hause, sieht dufte aus und finanziert 3 Fernreisen pro Jahr und den SUV. Guck mal, die hats ja auch nicht leicht. Aber eben auch nicht wirklich schwer. Explodierende Followerzahlen. Seufz.

Analog und digital ist Mutterschaft in den letzten gut 20 Jahren explodiert. Exponiert. Hat eine in sich inhärente Bedeutung und exponierte Position gewonnen, die ich weder aus meiner eigenen Kindheit (in den 80ern und frühen 90ern) noch aus Schilderungen und Erzählungen von „davor“ kenne.

Und noch viel weniger von noch weiter davor.

 

…. und noch weiter zurück.

 

…. gedanklich hinweg über unsere Mütter. Großmütter. Urgroßmütter. Und vielleicht, zur Sicherheit, sogar noch zwei, drei Generationen weiter.

Elternsein. Kindsein. Vor 100, 150, 200 Jahren. Und davor.

 

Und jetzt wird’s hart. Mutter werden, Kind sein, war unter Umständen das Schlechteste, was einem passieren konnte. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Untergang (als Frau ohne Kindsvater, als Kind einer Frau ohne Kindsvater) .

Und im besten Fall? Wirtschaftliche Absicherung. Erfüllung? Höherer Sinn? Lebensinhalt? Äh. Erklären Sie es mir, als wenn ich im Jahr 1873 leben würde. Könnten Sie das bitte etwas genauer erläutern?

Kinder sind „passiert“, biologische Zwangsläufigkeit. Und nicht selten durchaus auch gewollt, aber sehr viel weniger bis gar nicht als leuchtendes Sternchen ganz oben auf der Bedürfnispyramide, im Bereich „Höheres/Selbstverwirklichung“. Sondern ganz unten auf derselben anzusiedeln. „Basales Überleben“. „Wirtschaftliche Sicherheit“. „Existenzsicherung“.

 

Kinder haben die Nachfolge gesichert. Sowohl da, wo das Geld knapp war, in kleinen Handwerksbetrieben, bei „selbstständigen“ Eltern, Bauernfamilien. Früh mitgearbeitet. Kleine Geschwister groß gezogen. Irgendwann „den Betrieb“ übernommen. Die alten Eltern versorgt. Und da, wo das Geld nicht knapp war, im Bildungsbürgertum, Adel, der „feineren“ Gesellschaft – dito. Stammhalter. Den guten Namen weitertragen und „sichern“. Für Söhne: eine ähnliche Bildung wie der Vater genießen, auch Anwalt oder Arzt werden. Für Töchter: zur guten Partie gemacht, vorteilhaft verheiratet werden.

 

Kinder waren primär Investment. Von dem man sich einen Ertrag versprach. Wenn dieser sich nicht  zuverlässig abzeichnete (Taugenichts etc.), hatte die Eltern-Kind-Beziehung nicht zwangsläufig etwas Unauflösliches.

 

Und so sehr auch ein Ertrag erwartet und angestrebt wurde, so gering versuchte man das vorangehende Investment zu halten. Kinder „liefen mit“. Sowohl bei Adels und in der besseren Gesellschaft als auch auf dem Bauernhof.

In den bessergestellten Kreisen gab es Personal. Ammen. Kindermädchen. Hauspersonal. Und Kinder und Eltern, die sich oft stunden-, gar tagelang nicht zu Gesicht bekamen. Herausgeputzt vom Kindermädchen zu den Mahlzeiten an den Esstisch gesetzt und unverzüglich von diesem verbannt wurden, wenn sie sich „nicht benahmen“. Bei gesellschaftlichen Ereignissen vorzeigbar vorgeführt und dann wieder in die Obhut von Angestellten übergeben wurden. Raus aus der Erwachsenenwelt, aus den Salons mit Zigarrenqualm, Likör und Konversation.

Da, wo das Geld knapper bis knapp war, täglich körperlich gearbeitet werden musste, zogen die Kinder einander groß. Und packten mit an, sobald und bei was auch immer es ging. Und wenn es gerade nicht ging, hatten sie sich in ihrer Kinderwelt, der Natur, miteinander zu beschäftigen und die Erwachsenen ungestört ihre Arbeit tun oder ungestört von dieser ausruhen zu lassen.

 

Wem sich hier die Nackenhaare sträuben, wer am liebsten rufen möchte: „Ach und das soll gut/besser sein?“, dem antworte ich „Das habe ich nicht gesagt.“

 

Wie auch weiter oben versuche ich, persönliche Wertungen weitestgehend zu vermeiden und kann nur das nicht eliminieren, was sich ggf. zwischen den Zeilen herauslesen lässt. Und das ist vielleicht, und deshalb formuliere ich es an dieser Stelle nicht nur subtil, sondern ganz deutlich, Folgendes: 

Wenn wir einmal alle Emotionen beiseite lassen (eijeijei, ist das schwer aus unserem heutigen Selbstverständnis heraus, auch für mich) dann war das ein wirtschaftlich kluges Verhalten. Geringstmögliches Investment bei größtmöglichem (erhofftem) output/Ertrag. Ein Verhalten, das die eigenen Kräfte schont. Eines, das Handlungsfähigkeit erhält. Eines, das „einem etwas bringt“, im wahrsten Sinne des Wortes. Und zwar mehr bringt, als es nimmt.

 

Ich kenne keine Mutter von 1873, weder eine Arztgattin aus feinem Bürgerhaus noch eine Bäuerin. Ich kann keine dieser Frauen fragen, welche Gefühle sie für ihre Kinder hatte. Meine Annahme ist, sie hatte welche. Was ich nicht einzuschätzen vermag ist, ob sie ihre (Gefühle) gebändigt, diszipliniert, erzogen, zurechtgestutzt hat. Oder wir unsere (Gefühle) aufgeplustern, potenzierten, dopen. Oder ob beides ein stückweit zutrifft. 

 

Wann und wie ist eine Schieflage entstanden? Warum fühlen wir uns heute so oft so ausgelaugt, so ungedankt, so übersehen und ausgesaugt, so leer gecared und fremdgesteuert?

 

Ich könnte mir vorstellen: Weil sich etwas Entscheidendes umgekehrt hat.

 

„Existieren“, „überleben“ kann heute sowohl mitten im Leben als auch in hohem Alter jede/r.

Verhungern muss „hier“ niemand. Und unter der Brücke schlafen auch nicht. Unterstützung braucht ein bedürftiger Mensch ggf. noch, um an die sozialen Sicherungssysteme anzudocken und die damit einhergehenden Formalitäten (Papierkram etc.) zu erledigen. Aber es gibt sie, diese Systeme. Und sie ersetzen die unmittelbare, ganz basale und praktische Überlebenshilfe, die ehemals von der „Nachfolgegeneration“ gesichert und bereitgestellt werden musste.

Anders: Mit zunehmender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität und dem Ausbau sozialer Sicherungssysteme verlor das Kind als Existenzsicherung an Bedeutung.

Noch anders ausgedrückt (tief durchatmen): Ganz emotionslos gesehen ist Nachwuchs wirtschaftlich gesehen überflüssig geworden. Mehr noch: Er ist wirtschaftliche Belastung geworden. Kinder kosten. Geld. Aufmerksamkeit. Kraft. Zeit. Zeit, in der wir nicht arbeiten oder ausruhen können. Wir buttern rein, investieren ohne Ende, in einem Ausmaß und einer Intensität, die unsere Ururgroßmütter vermutlich hätte entgeistert den Kopf schütteln oder herzhaft lachen lassen.

Warum tun wir das, wenn wir das Kind doch gar nicht mehr „brauchen“? Wofür das Investment?

 

Wir haben das Kind ganz nach oben auf die Spitze der Bedürfnispyramide gehievt. Das Kind, die Elternschaft, soll uns erfüllen. Verwirklichen. Vervollständigen. Das ist der output, den wir uns versprechen. Das ist die romantische Idee von Eltern- oder vielleicht doch eher Mutterschaft, die wir uns erst erlauben können, seit wir uns über unser nacktes Überleben keine Gedanken mehr machen müssen.

Ob das nun „das wahre Naturell“ von Mutterschaft ist (durchaus möglich), das sich erst im Zuge der letzten Jahrzehnte herausschälen konnte, ob wir zu unserem wahren Kern von Mutterschaft in all seiner Emotionalität und übergeordneten Bedeutung erst gelangen konnten, nachdem wir uns von den Fesseln wirtschaftlicher Notwendigkeit befreit hatten – wer weiß. Weißt Du es? 

Vielleicht soll Mutterschaft ja genau so sein, das eine große Ding im Leben, das, worauf wir all unsere Energie richten, der übergeordnete Sinn, dem wir alles andere unterordnen. Und vielleicht konnten die Mütter von vor drei, vier, fünf Generationen das einfach nicht leben, weil das Leben es nicht zuließ. Weil Schweine geschlachtet, gesellschaftliche Kontakte gepflegt, Brot gebacken, Felder beackert, feine Kleidung ausgeführt, Empfänge gegeben, Hühner gerupft werden mussten.

 

Und an dieser Stelle werde ich nun doch etwas persönlicher und vielleicht auch etwas wertender. Ich glaube nicht, dass so das wahre Naturell von Mutterschaft aussieht, nein. Ich glaube, dass die, nein, meine gesunde Wahrheit, irgendwo dazwischen liegt.

Ich glaube, dass sich eine Schieflage entwickelt hat.

Dass uns in all dem Wohlstand und der Übersättigung, die wir haben und erfahren, etwas fehlt.

Dass wir, dank, trotz oder wegen der grundlegenden existenziellen und wirtschaftlichen Sicherheit Raum für anderes haben Und vielleicht sogar Leere. Dass neuer, anderer Sinn gesucht wird. Wo eine grundsätzliche Sicherheit besteht, dass es schon irgendwie weitergehen wird, wo wir uns ums nackte Überleben, unseren gesellschaftlichen Stand und unsere grundlegende Existenz keine Gedanken machen müssen, da können wir uns Gedanken über anderes machen.

Viel Sinn, Zeit, Kraft, Aufmerksamkeit und Ressource an anderes binden. Zum Beispiel an unsere Kinder.

 

Und wenn wir vielleicht etwas verächtlich, mitleidig oder oder abwertend auf diese anderen Generationen schauen, auf deren vielleicht kühl anmutenden kalkulierenden Umgang mit ihrem Nachwuchs, auf deren Kosten-Nutzen-Abwägung, auf vielleicht gebändigte und disziplinierte Gefühle, auf das Abwägen zwischen input und output, wenn wir vielleicht aufseufzend konstatieren, wie gut es doch ist, dass „diese Zeiten vorbei sind“ – dann dürfen wir uns vielleicht doch auch einmal fragen, ob wir nicht ebenso kalkulieren. 

Output erwarten. Nur in anderem Gewand. Mutterschaft soll jetzt auch etwas. Sie soll glücklich machen. Erfüllen. Ein Mini-me hervorbringen, das aber natürlich ganz er/sie/es selbst sein soll, aber bitte doch deutlich als unseres erkennbar, so eine total individuelle und eigenständige Kopie und bessere Version unserer selbst. Und das soll uns dann glücklich machen. Diese Entwicklung zu betrachten, zurück geliebt und gespiegelt zu werden. Vom Kind selbst und vom Außen.

Und wo das Investment früher war, „die Mäuler zu stopfen“, die Kinder satt zu kriegen, bis sie irgendwann begannen, output auszuspucken, da ist das Investment heute kümmern. Machen. Planen. Raum geben. Zeit geben. Qualitytime. Bedürfnisorientierung. Care care care. Präsentieren. Und Geld. Viel Geld.

 

Allein: Die Rechnung scheint nicht aufzugehen. Oder nur sehr selten. Woher kommt sonst das immer wieder beschriebene Ausgelaugtsein, das Gefühl, mehr zu geben als zu bekommen, wie ein Hamster im Rad unterwegs zu sein und doch nie genug zu tun, das Gefühl des Vergleichsdrucks, der Konkurrierei, das Gefühl, nicht bedankt, gewürdigt und gesehen zu werden, die Wut auf Partner, Kinder, andere Mütter, die Wut auf „das große Ganze“?

 

Ich könnte mir vorstellen, dass wir gut daran täten, deutlich weniger output zu erwarten. Und weniger Investment inzuputen.

 

Ich könnte mir vorstellen, dass wir gut daran täten, das Muttersein wieder ein stückweit zu ent-throniseren. Zu ent-romantisieren. Zu re-naturalisieren. Auch wenn uns dann vielleicht langweilig wird. Weil es eben auch keine Schweine zu schlachten und keine Empfänge zu geben gibt.

Ich könnte mir vorstellen, dass wir nicht zurück streben müssten in das Leben unserer Ururururgroßmütter, egal ob die nun Gräfin oder Bäuerin war, um wieder ein natürlicheres Verhältnis zu unserem Muttersein und unseren Kindern zu entwickeln.

 

Vielleicht würde sich schon der Blick zurück in unsere eigene Kindheit lohnen. Und wenn die nicht sehr glücklich war, wenn sich die eigene Mutter nun so gar nicht als Idee oder Orientierung anbietet, dann vielleicht nicht sie, aber ihre Generation. Oder die davor. Die, als die Frauen noch entspannt in einem Topf Dosenravioli rührten und dabei an ihrer Prince Denmark zogen, während die Kinder „schon irgendwo sein werden“. Und nein, ich fordere uns nicht auf, in Wohnungen rauchend Dosenfutter warmzumachen während unsere Kinder sich verwahrlost in der Weltgeschichte herumtreiben.

Aber metaphorisch, im übertragenen Sinne, vielleicht schon.

 

Nicht soviel Gewichtung, Bedeutung, in alles zu geben. Ein bischen mehr darauf vertrauen, dass das alles irgendwie so sein soll, dass Muttersein und Kinderhaben etwas Normales ist. Nicht die eine große Performance.

Dass das Leben und auch wir selbst schon irgendwie instinktiv wissen. Und wenn mal nicht, dass das dann auch nicht schlimm ist. Dass wir kein großes Bohei machen müssen. Und dass die Leere ohne dieses Bohei uns nicht verschlucken wird. Sondern dass dahinter Raum auf uns wartet. Platz. Für uns. Für genau das Stück von uns, dass wir so oft vermissen. Dem wir hinterher rennen. Das verschollen, aufgelöst, verpufft zu sein scheint. Dass Muttersein einfach hinzukommt im Leben. Und auch etwas ändert. Aber nicht auslöscht. Dass wir uns nicht entscheiden müssen. Zwischen einem glücklichen Leben ohne Kinder. Und einem Leben, in dem Kinder uns glücklich machen.

 

Dass wir uns selbst glücklich machen können in einem Leben mit Kindern. Unabhängig von diesen.

Und dass dann vielleicht nicht nur wir glücklich(er) sind. Sondern sie auch.